Gutes Leben für alle

Autor: Pastoralreferent Martin Wolf, Kaiserslautern
Ausgestrahlt in der Sendung "SWR4 Sonntagsgedanken" vom 15.09.2013

Donnerstags in Zukunft ohne! Ohne Schnitzel auf dem Teller, ohne Steak auf dem Grill. Es war ein kleiner Aufreger im bisherigen Bundestagswahlkampf: Der fleischlose Tag in der Woche. Die Grünen hatten ihn vorgeschlagen. Was von einigen Zeitungen sofort zum Skandal erklärt wurde, ist aber nicht neu. Für uns Katholiken etwa gab es ihn immer schon, den Tag ohne Fleisch. Immer freitags sollte man als Katholik nämlich auf Fleisch verzichten. In Erinnerung an den Tod Jesu, der an einem Freitag gestorben ist. Wer sich nicht dran hielt, musste das früher schon mal beichten. Doch solche Zwänge und Vorschriften nehmen wir heute nicht mehr einfach hin. Wer auf Fleisch verzichtet, egal ob nur einen Tag pro Woche oder ständig, macht das freiwillig. Der eine, weil weniger Fleisch einfach gesünder ist. Ein anderer, weil er keine Massentierhaltung will.

Doch manche Menschen lassen das Steak auch liegen, weil sie einfach gerechter leben wollen.

Rund 60 Kilogramm Fleisch verzehrt jeder Deutsche nämlich pro Jahr. Sagt die Statistik. Das geht aber nur, weil andere wenig bis gar kein Fleisch essen. Wollten etwa alle Menschen in Asien und Afrika es genauso machen wie wir - die Natur würde zusammenbrechen. So viel Fleisch für alle lässt sich gar nicht produzieren. Dafür ist unsere Erde schlicht zu klein.

Das kleine Beispiel vom Fleischkonsum lässt sich leicht auf andere Lebensbereiche ausdehnen. Wenn ich mich kritisch in meiner Wohnung umschaue, dann ist unübersehbar: Ich lebe auch sonst im Überfluss. Ich habe viel mehr Dinge als ich wirklich brauche. Ich fahre immer noch zu oft mit dem Auto rum, obwohl es anders ginge. In meinem Kleiderschrank stapeln sich Sachen, die ich nur ganz selten mal anziehe. Wenn ich ehrlich bin, gibt es von fast allem zu viel.

Wollte jeder auf der Welt so leben wie ich, ginge das nicht lange gut.

Vor allem ist es nicht gerecht. Die Schätze der Erde sind nun mal begrenzt. Das wissen wir inzwischen. Wenn alle was davon haben sollen, müsste ich eigentlich freiwillig kürzer treten. Ich weiß das und trotzdem fällt es mir oft unglaublich schwer. Warum? Weil es so bequem ist. Weil ich mich daran gewöhnt habe. Weil es bedeuten würde, zu verzichten. Ganz bewusst. Doch tief im Innern weiß ich eben auch: Auf Dauer geht es wohl nicht anders.

Es gibt Menschen, die probieren es inzwischen einfach mal aus:

Ganz bewusst auf etwas verzichten, obwohl sie es sich leisten könnten.

Menschen, die finden, dass sie auch mit weniger ganz prima leben können. Mir fällt da eine Freundin ein, die sich bewusst gegen ein eigenes Auto entschieden hat. Das Geld hätte sie. Doch für weite Strecken nimmt sie lieber die Bahn und in der Stadt das Fahrrad. Sie vermisst nichts und spart nebenbei noch eine Menge Geld. Und wenn sie doch mal ein Auto braucht, dann leiht sie sich einfach eins. Oder ein Bekannter von mir: In seiner Freizeit bastelt er gern in seinem Hobbykeller herum. Wenn bei ihm was kaputtgeht, dann versucht er erst mal, es zu reparieren. Möbelstücke, Elektrogeräte, fast alles. Etwas Neues kaufen ist für ihn immer nur die letzte Lösung. Schließlich gehen die alten Sachen ja noch, sagt er. Klingt im Zeitalter von Wegwerfen-und-Neukaufen zwar reichlich verschroben. Doch ihm reicht das und unzufrieden ist er damit ganz und gar nicht.

Vor drei Wochen haben die Katholiken im Bistum Speyer gemeinsam mit dem Hilfswerk Misereor die Kampagne „Gutes Leben. Für alle!“ ins Leben gerufen. Beteiligen daran kann sich jeder. Im Moment werden Ideen gesucht. Ideen, was das überhaupt heißt: Ein gutes Leben. Ideen aber auch, wie ich an meinem Lebensstil ganz konkret etwas ändern kann und trotzdem glücklich damit bin. Wie ich also weniger verschwenden, weniger verschmutzen und dennoch gut leben kann. Denn das scheint nötig, wenn auch Menschen in anderen Teilen der Welt eine Chance bekommen sollen. Die Chance, überhaupt ein bisschen besser zu leben.

Wenn ich darüber nachdenke, dann brauche ich genau genommen gar nicht so viel, um glücklich zu sein. Viel weniger jedenfalls als ich jetzt habe. Klar, ich habe Glück, dass es mir wirtschaftlich ganz gut geht. Das sieht bei vielen Menschen anders aus. Aber gerade weil es mir gut geht, kann ich vielleicht auch eher mal verzichten. Ganz bewusst. Wegen der Gerechtigkeit. Und wegen der Schöpfung.

Denn wer will, dass es gerechter zugeht, muss was dafür tun.

Am besten zuerst bei sich selber. Für jene, die heute Nichts haben und einfach besser leben möchten. Aber auch für die, die nach uns kommen. Damit nämlich auch unsere Kinder in ein paar Jahrzehnten noch gut leben können.