Im Dialog mit Gästen aus der Ukraine, Litauen und Bosnien

Begegnungsabend zur Renovabis-Pfingstaktion in Kaiserslautern

"Jung, dynamisch, chancenlos? Jugendliche im Osten Europas brauchen Perspektiven" – diese Überschrift trägt die bundesweite Renovabis-Pfingstaktion, die vom 14. bis 17. April 2016 im Bistum Speyer eröffnet wurde. Zum gemeinsamen Austausch über das Thema waren Gäste aus der Ukraine, Litauen und Bosnien und Herzegowina am 15. April ins Gemeindehaus der Pauluskirche Kaiserslautern eingeladen.

"Das diesjährige Motto der Pfingstaktion thematisiert die Situation junger Menschen. Über ihre Probleme, Nöte, aber auch Hoffnungen möchten wir heute Abend reden", eröffnete Christoph Fuhrbach, Referent für weltkirchliche Aufgaben im Bistum Speyer, die Veranstaltung. Ein Begegnungsabend, der als Brückenschlag zwischen der hiesigen Diskussion und der Erfahrung der Gäste zu verstehen sei, sagte Thomas Sartingen von der Hauptabteilung Schulen, Hochschulen und Bildung im Bischöflichen Ordinariat, der den Austausch moderierte.

Bosnien-Herzegowina: Europaschulen stärken die Identität und Qualifikation der Schüler

"Was hat das Abkommen von Dayton gebracht?", gab er das Wort an den Weihbischof von Sarajevo, Pero Sudar, weiter. "Der Friedensvertrag von 1995 hat zwar den Krieg in Bosnien und Herzegowina gestoppt, aber den Frieden unmöglich gemacht. Aus einem multi-ethnischen Staat sind zwei Staaten geworden. Diese ethnische Trennung hat zu noch größeren Spannungen geführt", beschrieb der Geistliche die düstere Realität in seinem Land. Viele kleine Initiativen versuchten, der Entwicklung entgegenzuwirken. So wie die 14 Europaschulen, für deren Koordination Sudar zuständig ist. Offen für alle Konfessionen und Ethnien "sollen sie die Gräben zuschütten". Ihr Konzept gilt als revolutionär, "obwohl es völlig normal ist. Denn wir nehmen jeden Schüler so an wie er ist. Weil uns daran gelegen ist, dass die Kinder und Jugendlichen ihre Identität entwickeln können, um daraus Kraft zu schöpfen." Die sei bitternötig angesichts der katastrophalen wirtschaftlichen Lage, mit einer Arbeitslosenquote von 48 Prozent, davon über zwei Drittel Jugendliche.

Litauen: Angebote der Kirche fördern das Gemeinschaftsgefühl

Auch in Litauen seien die Probleme massiv, berichtete Roberta Daubaraitè-Randè. Sie leitet das Jugendzentrum der Diözese Panevèžys und koordiniert dort den Freiwilligendienst. "3.3000 Menschen verlassen jährlich Litauen, vor allem junge. Weil sie beruflich keine Perspektiven haben. Daran ändert auch ein Studium nichts", umriss die Sozialarbeiterin die Situation. "Die Jugendlichen, die bleiben, fühlen sich einsam. Vor allem auf dem Land, wo die Abwanderung besonders groß ist." Ihnen versuche die Kirche zu helfen, durch Freizeiten, spirituelle Angebote und neue Kontakte, um das Gemeinschaftsgefühl zu fördern.

Ukraine: Soziale Werte als Handwerkszeug beim Aufbau des Landes

Darum geht es auch Lidia Baran aus der Ukraine, gelernte Pharmazeutin und ausgebildet für Konfliktberatung und die Leitung von NGOs (Non-Governmental Organisation). 7.000 Menschen seien im andauernden russisch-ukrainischen Konflikt bereits umgekommen, dazu gebe es über eine Million Binnenflüchtlinge, beschrieb sie die Situation in ihrem Land. "Das stellt die Gesellschaft vor viele Herausforderungen. Die jungen Männer haben Angst, in den Krieg zu ziehen, weil die Einsätze oft unbedacht und gefährlich sind. Die Soldaten, die zurückkommen, sind so traumatisiert, dass sie nur schwer in ihr altes Leben zurückfinden." Ähnlich wie in Litauen prägen Arbeitslosigkeit und Chancenlosigkeit das Leben der jungen Generation. Niedrige Löhne und steigende Lebenshaltungskosten schüren die Armut. "Positiv ist, dass der Homo Sovieticus allmählich der Geschichte angehört. Die jungen Menschen haben das Sklavendenken aufgegeben, sie wollen Verantwortung übernehmen und das Land selbst gestalten." Eine schwierige Aufgabe, in der die Kirche sie unterstützt, wie etwa das Projekt zur Stärkung der sozialen Werte im gesellschaftlichen Wandel der Ukraine, das Lidia Baran koordiniert. "Wir möchten ihnen die Soziallehre der katholischen Kirche vermitteln, ihr Umweltbewusstsein stärken und sie dazu befähigen, Initiativen für die Zukunft zu ergreifen."

Nachgefragt: "Was heißt gutes Leben für alle in Ihrem Lebenskontext?"

Im Anschluss an den Austausch erläuterte Astrid Waller vom Katholikenrat die Hintergründe der 2013 gestarteten Bistums-Kampagne "Gutes Leben. Für alle!" und lud die Gäste ein, zu erläutern, was sie mit dem Motto verbinden. "Für mich bedeutet es, Familien zusammenzuführen und das Notwendige zum Leben zu haben", sagte Roberta Daubaraitè-Randè aus Litauen. Dem schloss sich Weihbischof Pero Sudar an. "Wir müssen uns weniger an Materiellem orientieren. Dann suchen wir das Glück auch nicht an der falschen Stelle." Für die Ukrainerin Lidia Baran haben Frieden, Gerechtigkeit, Zugang zu Bildung und die Rückkehr zu christlichen Werten oberste Priorität. "All das brauchen wir, um die Erde gut verwalten können."

Text: Friederike Jung